Noch ein Kriegsmuseum

23 07 2011

Während das Krigsminnemuseet in Narvik großen Wert auf geschichtliche Hintergrundinformationen legt, und jede Menge großes Gerät wie alte Fahrzeuge und Geschütze ausstellt, erinnert das gleichnamige Museum in Svolvær eher an eine private Sammlung von alten Uniformen, Helmen, Waffen und anderem Schrott, sowie alten Schildern und Nazi-Geschirr, Hakenkreuzchristbaumkugeln, Luftwaffenbrettspiele, usw. Aber ich konnte trotzdem ein paar interessante Stücke finden (Ich interessiere mich nicht für Waffen und Uniformen, aber umso mehr für Propaganda und Gegenpropaganda, also Plakate, Zeitungsartikel, Karrikaturen, Parolen, usw.)

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Oben: Brennende Öltanks in Svolvær. Die Deutschen und die Alliierten beschießen beide das gleiche Ziel, damit der Feind das Öl nicht bekommt.

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Oben: Wer ein großes Maul hat, braucht eine dicke Tasse.

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Oben: HEILige Nacht! … Entscholdigung …

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Oben: Das Logo der Nasjonal Samling, Norwegens Nazi-Partei. Rechts ein Buch von Vidkun Quisling: „Gibt es andere bewohnte Welten als unsere, und was bedeutet das für unsere Lebensanschauung?“ (historische braune Esotherik. Heute erscheint sowas im Kopp-Verlag und auf obskuren Verschwörungswebseiten. Es hat sich nicht viel verändert!)

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Oben: eine SS-Schreibmaschine. Ich glaube nicht, dass das Zeichen bei SHIFT+5 in der Unicode-Tabelle steht…

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Oben: „Die deutsche Frau raucht nicht“ … Da kann ich nicht mal widersprechen, auch wenn die Einschränkung auf Deutsche und Frauen meiner Meinung nach unnötig ist.

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Oben: Rekonstruiertes Gestapo-Hauptquartier (nicht ganz im Bild). Die Verbotsschilder an der Eingangstür sind Ausstellungsstücke, was zur Verwirrung der Besucher beiträgt, weil noch mehr deutsche Verbotsschilder an einer anderen Tür hängen, die wirklich für Besucher des Museums tabu ist. Dass der Türgriff auch ein Austellungsstück ist, macht es nicht einfacher!

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Der Würstchenverkäufer sagt: „Nieder mit der Nasjonal Samling! Es lebe der König!“

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Oben: Eine künstliche Sonne.

Im Museum gab es auch ein Modell der „Blüchr“, jenem deutschen schweren Kreuzer, der im Oslofjord auf Befehl von Oberst Birger Eriksen versenkt wurde. Eriksen handelte auf eigene Faust, ohne Befehl. Seine Untergebenen wollten wissen, ob wirklich scharf geschossen werden soll. Die Antwort: „Ja, diesmal schießen wir scharf. Entweder kriegen wir Medallien, oder wir kommen vors Kriegsgericht.“ -Eriksen war Lofoter, und eine Büste von ihm steht im Hafen von Moskenes.

http://de.m.wikipedia.org/wiki/Birger_Eriksen

Svolvær wurde nach dem erfolgreichen Überfall der Alliierten auf die Lofoten von den Deutschen zur Festung ausgebaut. Die Bauarbeiten dauerten an bis zum Ende des Krieges, und die alten Bunker und Geschützstellungen kann man noch sehen. Ich hatte aber keine Lust im Regen an der Küste herumzuklettern.

Was ich vorher auch nicht wusste: In den letzten Kriegsjahren wurde versucht, eine Arktische Eisenbahnlinie von Fauske über Narvik bis nach Kirkenes zu bauen (wie große Teile der E6 auch mit Arbeitskraft von KZ-Häftlingen und russischen Kriegsgefangenen, liebe Autobahnfraktion!). Daraus wurde nichts, und übrig ist von den Bauarbeiten auch nicht mehr viel. Ein paar Tunnels und Bahndämme. Erst vor kurzem habe ich in einem Leserbrief in einer nordnorwegischen Zeitung die Forderung gesehen, eine solche Bahnlinie mit Geldern aus dem Ölfond zu bauen. Als Investition für die Zeit nach dem Öl.

Zum Schluss noch ein paar Eindrücke von Svolvær:

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Neuseeländischer Pennerwein

23 07 2011

Da ich mir nicht eine Woche lang Einzelzimmer leisten will, schlafe ich schon seit einiger Zeit in einem 4-Bett-Zimmer. Die Zimmernachbarn wechseln täglich.

Gestern waren es 3 alte Norweger, zwei 86er und ein über 80jähriger. Alles Rentner. Darunter ein ehemaliger leitender Angestellter in einer Softwarefirma, der seinen Job zu vermissen scheint (was er bestreitet) und ein Auswanderer, der seit 25 Jahren in Neuseeland lebt (er ist aus „Neugier“ ausgewandert) und in München studiert hat (Sein Versuch, Bayerisch zu reden, war wenig überzeugend, aber Deutsch konnte er gut).

Die drei sind Geschwister bzw. alte Freunde und unterwegs zu ihrer alten Heimat. Alle stammen aus Lofoten oder Vesterålen. Ich werde auf ein paar Gläser Wein eingeladen. Irgend ein Neuseeländischer Pinot Noir aus einem Pappkarton aus dem Vinmonopolet. Getrunken wird aus pappbechern. Das Zeug hat 400 Kronen gekostet, soviel wie zwei gute Mahlzeiten im Restaurant, nur falls hier jemand denkt: Was für Banausen! Bei den Preisen müssen eben auch die Einheimischen auf Pennerwein und Dosenbier ausweichen. Immerhin: Dank dem Zeug konnte ich trotz Schnarchkonzert und Mitternachtssonne einigermaßen schlafen.

Der Ex-Softwareentwicklerchef erzählt unter anderem, dass Trondheim eine geniale Stadt ist, und dass man sich in diesen kleineren Städten viel schneller integriert. Zwischendurch fachsimpeln die drei über norwegische Fischgerichte und deren Herstellung. Ich verstehe davon kein Wort.

Man empfiehlt mir das Kriegsmuseum in Svolvær und will unbedingt wissen, wie ich als deutscher bisher in Norwegen aufgenommen wurde. Ich berichte wahrheitsgemäß. Der einzige unfreundliche Norweger, der mir bisher begegnet ist, war ein Radfahrer auf der Brücke in Tromsø, der im Affentempo angerast kam und schrie: „Flytt deg for faen! Du er mitt i veien!“ (wahrscheinlich war seine Klingel kaputt). Gemeint war eigentlich, ob mir Leute begegnet sind, die aus historischen Gründen feindlich gegenüber Deutschen sind. Wie gesagt, sind mir noch keine begegnet. Nicht IRL (dazu später mehr). Bei älteren Memschen rechne ich oft damit, aber zu unrecht. Die Generation, die im Krieg einen Vater oder ein Bein verloren haben, stirbt allmählich aus.

Eine kurze Annekdote: Vor einigen Jahren gab es einen Skandal bei der norwegischen Bahn, weil sie in ihren Faltblättern im der Raumabahn in der deutschen Übersetzung die Zerstörung von Åndalsnes weggelassen haben. Um die deutschen Touristen nicht zu verärgern. Eine peinliche Angelegenheit für alle Beteiligten. VG hat darüber berichtet. Im Forum von VG Nett wurde darüber diskutiert. Dort waren viel Unsinn und dumme Klischees zu lesen. Hier der Artikel mit Fotos von den Faltblättern:

http://touch.vg.no/article.php?artid=568556

Die Zielgruppe dieser Aktion war anscheinend: Alte Säcke, die kein Englisch können und den Namen Hitler in erster Linie mit Autobahnen verbinden.



Utøya: Mindestens 80 Tote

23 07 2011

Hier kommt nichts anderes mehr in der Glotze, und einige sitzen wie gebannt davor. Stoltenberg sah gestern im Interview mit NRK richtig fertig aus.

Der Täter war ein rechtsradikaler, islamfeindlicher „Nationalist“, der sich selbst als „konservativer Christ“ bezeichnet und einen Bauernhof in Hedmark besitzt. Dadurch ist er vermutlich an ausreichend Düngemittel für den Bau einer Bombe gekommen. Bewiesen ist bisher allerdings noch nichts, außer, dass er für das Massaker im sozialdemokratischen Jugendlager auf Utøya verantwortlich ist.

http://mobil.aftenposten.no/a.mob?i=4181073&p=aftenposten

Der Feind (also Springers „Welt“) bezeichnet ihn als „Einzeltäter“, ein schönes deutsches Neusprechwort, das mir zuletzt in einer Doku über (unter anderem) das Oktoberfest-Bombenattentat sehr oft begegnet ist (Die Doku hieß glaube ich „Gladio“, falls es jemand interessiert, und lief irgendwann mal auf Arte). Auch damals soll es ein (rechtsradiksler) Einzeltäter gewesen sein.

Was ist ein „Einzeltäter“? Auf jeden Fall niemand, der einem „linksterroristischen“ oder „islamistischen“ Netzwerk angehört, und schon gar nicht einer rechtsradikalen Organisation. Also eine gute Nachricht für alle, die kein großes Interesse daran haben, die Sache weiter zu untersuchen… Wer weiß, was dabei rauskommen könnte.

Übrigens ist das für einige Käseblätter (nein nicht Springer, diesmal ist es der Spiegel) kein Grund, nicht trotzdem Al Qaida herbeizufantasieren. Mehr dazu bei Fefe:

http://blog.fefe.de/?ts=b0d4ccff

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