Rjukan erreicht

3 07 2011

Die Schlucht, durch die der Fluss in das Vestfjorddalen stürzt, in dem das Städtchen Rjukan liegt, ist in echt viel viel eindrucksvoller als auf Google Earth. Senkrechte Felswände, ein Wasserfall, eine Hängebrücke, und gegenüber wie eine Festung das Kraftwerk Vemork, erbaut 1911, damals das größte Wasserkraftwerk der Welt. Über dem Rand der Schlucht sieht man den Gipfel des Gaustatoppen, mit über 1800 m der höchste Berg in Telemark. Von dort oben kann man angeblich 1/7 des Landes überblicken.

Der Bus fährt weiter ins Tal. Rjukan könnte genausogut irgendwo im Saarland liegen: Straßendorf, viel alte Industrie. Allerdings sind die meisten alten Häuser aus Holz und nicht aus Sandstein. Und ein Tal das so tief ist, dass eine Seilbahn gebaut werden musste, damit seine Einwohner auch im Winter die Sonne sehen können, wird man in Saarland nicht finden.

Das Stadtzentrum liegt 5 km von Vemork entfernt. Der Campingplatz ist noch weiter unten und nur mit dem Taxi zu erreichen, also alles andere als Low Budget. Ich sehe einen Wegweiser „Motell“ ins Industriegebiet. Auch nix für meinen Geschmack. Auf der anderen Flusseite an der Hauptstraße: Rjukan Gjestegård (Hostel). Ich beschließe dort abzusteigen.

Die Bezeichnung „Hostel“ ist untertrieben. Es ist mehr wie ein Hotel, aber mit Gemeinschaftsdusche und Gästeküche. Einzelzimmer für 350 NOK: günstig. Frühstück für 85 NOK: Wucher. Die Atmosphäre hat etwas von einer Mischung aus Krankenhaus und Knast, die Wände auf dem Flur sind in geschmackvollem Grau gehalten. Aber das bedrückendste: Es ist keine Sau da außer mir. Immerhin: Die Dame an der Rezeption ist sehr freundlich und hilfsbereit. Aber das sind in Norwegen alle. Waschmaschine gibt es keine, dafür Trockenraum. Mal wieder genau das Gegenteil von dem, was ich brauche.

(Es hätte auch ein Backpackerzimmer für 235 gegeben – bei so wenig Gästen sicher wie ein Einzelzimmer…)

Der Wetterbericht ist eine einzige Katastrophe. Zeit genug für eine lange Museumstour… Aber den Gaustatoppen kann ich vergessen…

20110725-181325.jpg



Telemark

3 07 2011

Ein weiterer Reisetag, an dem ich fast nur im Bus sitze oder auf einen Bus warte.

Ein Kleinbus mit nur 2 Fahrgästen (mich eingeschlossen) bringt mich nach Rjukan. Die Landschaft hier ist wieder ganz anders. Endlose Wälder (Kiefern, Fichten und Birken), große Seen und Moore, dazwischen hohe Berge, die oben kahl und felsig aussehen. Ich nenne es Modelleisenbahnlandschaft. Zum ersten mal kam mir dieser Vergleich im Hinterland von Bergen in den Sinn. Im Norden sieht man hohe, verschneite Berge. Der Rand der Hardangervidda. An der Straße (die übliche 1 1/2-spurige Achterbahn wie die meisten Landstraßen in Norwegen) liegen vereinzelte Bauernhöfe, teilweise noch alte Holzhäuser auf Stelzen.

Was mir auch hier auffällt: Der Bauboom, der in diesem Land herrscht. Überall sieht man mitten in der Landschaft, außerhalb geschlossener Ortschaften, Baustellen und Schilder, die neue „eiendomsleiligheter“ versprechen. Gemeint sind wahrscheinlich Hütten oder Sommerhäuschen auf dem Land für Besserverdienende. Stellenweise sehe ich ganze Städte aus rustikalen Holzhäusern mit Grasdächern, obwohl dort (laut Karte) eigentlich keine Ortschaften sein sollten. Ich erinnere mich an das, was ein früherer Arbeits- und Studienkollege über Schweden erzählt hat: Jeder baut sein Haus einfach in die Pampa. Im Gegensatz dazu bestehen Ortschaften, die auf der Karte verzeichnet sind und einen Namen haben, oft nur aus ein paar Häusern und dem Allernötigsten an Infrastruktur.