Kaffee und Kuchen

17 07 2011

Wie auch der Møysalen, so ist der Campingplatz in Hennes ein Geheimtip. Typisch norwegisch bezahlt man hier auf Vertrauensbasis. Untypisch norwegisch ist er verdammt billig: 60 NOK mit Zelt. Er liegt direkt am Lonjanfjord, mit Postkartenansichten der Lofoten. Es gibt viele Wandermöglichkeiten, und Angler kommen hier auch auf ihre Kosten. Nur eines stört die perfekte Campingidylle: Nachts ist die Sonne weg. Man kann nicht alles haben…

Nach einem Tag Klamotten waschen und Erkältung auskurieren ging es zurück in die Zivilisation. Es war Sonntag, bis auf das Cafe am Campingplatz war alles geschlossen. Ich schleppte meinen Rucksack nach Kaljord zum Kai und auf die „Lofotferge 1“, die mich nach Hanøy brachte. Dort hoffte ich auf einen Bus nach Svolvær. Und dann: Keine Ahnung.

Ich fragte den Kapitän nach Busverbindungen. Negativ. Ich würde wohl per Anhalter weiter reisen müssen. Lykke til…

Da waren sie wieder, meine drei Probleme: Kein Bus, keine Ahnung, wo ich pennen soll, und eine Scheißerkältung. Hanøy bestand nur aus ein paar Häusern. Hier gab es „nichts“, außer dem Lofast, jenem Abschnitt der E10, fertiggestellt 2007, der Narvik und die Lofen über das Festland verbindet. Dieses „nichts“ sollte heute unerwartet zum Leben erwachen…

Von der Fähre stieg ein ganzer Pulk Norweger aus. Mit meinem Rucksack mit der aufgeschnallten Isomatte und den Wanderstöcken fiel ich natürlich sofort auf. „Geht’s in die Berge?“ fragte mich eine ältere Dame auf norwegisch. Ich erklärte meine Situation. Ob man hier als Anhalter gute Chancen hat, wurde ich gefragt. Ich sagte, ich hätte keine Ahnung. Eigentlich hatte ich ja auf einen Bus gehofft.

Ab diesem Moment wurde alles für mich „organisiert“. Eine Frau rief die 177 an, die Busauskunft. Um 18:25 sollte ein Bus nach Svolvær hier halten. Da hätte ich ja noch Zeit, zum Basar zu kommen. Was für ein Basar? Ich erinnerte mich an ein Plakat am Kai in Kaljord, und mir wurde alles erklärt:

In Hanøy gibt es ein spezielles Gebäude, das früher zugleich Kirche und Internatsschule war. Dort wohnten die Kinder von den umliegenden Inseln für jeweils eine Woche und fuhren am Wochenende wieder nach hause. Zwischen Kapelle und Klassenzimmer war eine Trennwand. Die wurde bei Gottesdiensten geöffnet, und die Schulbänke wurden entsprechend aufgestellt. Erbaut wurde die Kirche/Schule im Jahr 1914.

Für den Erhalt dieses historischen Gebäudes sollte Geld gesammelt werden, dazu diente der „Basar“. Im Grunde war es eine Art Dorffest mit Buffet, Tombola und Unterhaltung. Die Atmosphäre erinnerte an eine Familienfeier, denn jeder schien jeden zu kennen. Für das Essen konnte jeder soviel bezahlen wie er wollte. Ich zahlte großzügige 200 NOK, kaufte aber dafür keine Lose, denn alles, was ich gewonnen hätte, hätte ich schleppen müssen.

Als deutscher Tourist, der norwegisch spricht, war ich eine Art Attraktion. Eine junge freiberufliche Journalistin für ein lokales Blättchen wollte mich gleich interviewen. Ich beantwortete ihre Fragen. Sie wollte ein Foto von mir machen mit einer (typisch norwegischen) Waffel in der Hand. Daraus wurde aber nichts. Für die Murmeltierliste: Ich hätte sagen sollen, dass ich einen Job suche. Wer weiß, was sich daraus ergeben hätte können… Egal ob mit oder ohne Foto von meiner waffelessenden Wenigkeit in meinen (immerhin: wieder sauberen) Wanderklamotten.

Immerhin: Truls hatte recht in seiner Fernsehsendung über die Nordlendinger: Sie sind ein offenes Völkchen. In Stavanger auf der Sankthansfeier hat mich niemand beachtet.

Ich saß an einem Tisch mit einer Familie, von denen einige auf Fahrradtour waren und andere wohl mit dem Auto gekommen waren, um sie abzuholen. Einige wohnten in Fauske, Bodø und Kabelvåg, also scheinbar alles Nordlendinger. Zwei jüngere Frauen (Mitte 20?) waren auch anwesend, Johanne und E… (Verdammt, ich habe mir den Namen doch schon buchstabieren lassen! Sie wohnt direkt neben dem Hostel und arbeitet in Henningsvær. Wenn wir uns da oder dort nochmal begegnen, was sehr wahrscheinlich ist, wird das peinlich. Außerdem hätte ich … Und wieder einmal grüßt das Murmeltier)

Von Johanne erfahre ich die Nummer des Hostels in Kabelvåg und den Preis für ein Bett im Schlafsaal mit Frühstück (270 NOK). Ich reserviere ein Einzelzimmer für 470 NOK, da ich keinen Bock habe, dass wie in Lysebotn um Mitternacht das Lofoten-Äquivalent einer Horde saufender und Gras rauchender Basejumper (keine Ahnung was es hier gibt – im Norwegenforum war die Rede von „deutschen Hardcoreanglern“) in den Raum stürmt und mich bis 3 Uhr nachts zum Socializing verdammt. Jederzeit gern, aber bitte bitte nicht heute!

Mit zwei Autos fuhren Johanne, ihre Mutter (die für mich die 177 angerufen hatte)r, E… (-.-) und eine ältere Frau (die mich am Kai angesprochen hatte), mein Gepäck und mich nach Svolvær. Dort gingen alle bis auf ein Auto, „The Luggage“, E… und mich an Bord der Hurtigrute („MS Nordlys“). E… brachte mich zum Hostel nach Kabelvåg. Sie gab mir eine Karte der Insel und erzählte etwas von einem Chinarestaurant in Svolvær. Dass man den Vågakallen auch ohne Kletterausrüstung besteigen kann (noch eine Gelegenheit, bei der ich mir den Hals brechen kann), und dass ich unbedingt Henningsvær besuchen müsste..

Immerhin, Zeit habe ich: Das Wetter im Süden ist und bleibt eine einzige Katastrophe. Und ich kann mir schlimmeres vorstellen, als auf den Lofoten festzuhängen.

20110717-210734.jpg

20110717-210752.jpg

20110717-210802.jpg

20110717-210826.jpg

20110717-210810.jpg



Status

17 07 2011

Ich lebe noch.
Ich bin immer noch im Norden.
Die Sonne scheint.
Ich bin leicht erkältet, aber auf dem Weg zur Besserung.

Aktueller Ort: Kabelvåg / Lofoten
Unterkunft: Hostel, Einzelzimmer

Meine Route seit dem letzten Eintrag:
Sortland – Hennes – Kaljord – Hanøy – Kabelvåg

Highlights:
Die längste Bergtour meines Lebens: Der Møysalen (13 Stunden)
„Basar“ in Hanøy

Sonstiges:
Ich hasse Hostels. Nach den vielen Begegnungen und Bekanntschaften mit der Lokalbevölkerung (genau dafür bin ich hier!) und drei Tagen in einem Inseldorf (wenn man Hennes überhaupt „Dorf“ nennen kann) ist die internationale Atmosphäre hier der reinste Kulturschock. Aber nach einer Woche Zelten bei arktischen Temperaturen und sintflutartigem Regen (ja, ich übertreibe mal wieder;) brauche ich unbedingt wieder ein richtiges Bett … Und Internet.

Details zu den letzten Tagen folgen noch. Es gibt viel zu erzählen…

UPDATE: Die neuen Berichte gibt es weiter unten, da ich sie mit dem „richtigen“ Datum publiziert habe. Ich werde auch von älteren Artikeln das Datum anpassen.