Trondheim feiert

3 08 2011

Trondheim liegt auf einer Halbinsel zwischen dem Fluß Nid und dem Trondheimsfjord, so wie auf dem Festland drumrum. Die Stadt besteht aus bunten Holzhäusern (dicht an dicht) und engen Gassen im alten Stadtkern, aber auch darüber hinaus. Wie Bodø ist sie ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt.

Die Stadt erinnert mich an Saarbrücken, und auch ein wenig an München, und zwar an das Positive in beiden Städten. Wie alle norwegischen Städte außer Oslo (und Bodø, das mir auch beim zweiten mal nicht gefallen hat), hat Trondheim dieses Kleinstatt-Flair, ist aber trotzdem kein Kaff, nicht „direkt unter Paris“ (Michael Mittermayer), sondern eine Stadt mit Bedeutung und Geschichte.

Trondheim ist eine Art zweite Hauptstadt, nicht so wie Stavanger, das durch die Ölindustrie groß geworden ist, sondern schon seit dem frühen Mittelalter. Hier werden die Kronjuwelen der norwegischen Monarchie aufbewahrt, und hier fanden bis 1906 die Krönungszeremonien statt. Trondheim wurde gegründet von Olav Tryggvason, dem ersten christlichen König von Norwegen, und hier wurde Olav Haraldson begraben, der nach seinem Tod in der Schlacht von Stiklestadt heilig gesprochen wurde. Bevor ich jetzt noch etwas durcheinanderbringe mit den vielen Olavs, verweise ich lieber auf Wikipedia.

Stiklestad sorgt zur Zeit für Aufregung. Dort soll ein multireligiöses Kulturzentrum errichtet werden, was an einem für die Christianisierung des Landes historisch so wichtigem Ort natürlich die Fundichristen auf den Plan ruft, die dagegen protestieren. An sich wäre das keine große Sache. Der gleiche Kindergarten wie die leidige Kreuz- und Kopftuchdiskussion an bayerischen Schulen. Comedy à la Don Camillo und Peppone, aber in Farbe und auch ohne Terrence Hill. Wären da nicht die Anschläge von Oslo und Utøya passiert, die nun als Katalysator wirken und den Aktivisten zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren. Übrigens: Bald ist Kommunalwahl in Norwegen. Dadurch werden auch die politischen Parteien in die peinliche Debatte hineingezogen. Popcorn bereithalten!

Ich bin keinen Tag zu früh nach Trondheim gefahren. Heute ist der letzte Tag der Olavsfesttage. Im Erzbischofshof hinter der Kathedrale gibt es einen Mittelaltermarkt, es finden Konzerte statt, und kurz vor Mitternacht gibts zum Abschluss ein großes Feuerwerk auf dem Marktplatz (das sich dann als Freiluft-Theatervorstellung der deutschrn Gruppe PAN.OPTIKUM herausstellt, mit Artisten und Pyrotechnik)

Das wusste ich alles nicht, denn ich wollte das gute Wetter ausnutzen und bin sofort in die Stadt aufgebrochen. Dabei bin ich natürlich unweigerlich bei der Nidaros-Kathedrale und im Erzbischofshof gelandet und habe mir alles angesehen.

Auf dem Marktplatz rund um die Statue von Olav Trygvasson laufen die Vorbereitungen für das Feuerwerk. Aber das erste was mir auffält, ist ein Meer von Blumen und Kerzen rund um die Statue. Und es stehen ständig Leute davor und legen mehr dazu. Einige Karten mit Beileidsbekundingen sind in Englisch verfasst und stammen von ausländischen Besuchern. Dazwischen norwegische Flaggen und in der Mitte groß das AUF-Logo.

Im Dom war leider fotografieren Verboten, und ich Idiot habe mich daran gehalten. Das gilt auch für das Museum, die archäologische Ausstellung und die Kronjuwelen.

Daraufhin versuche ich vergeblich, ein Fahrrad zu bekommen. Dafür laufe ich mir in der Stadt die Füße wund. Eigentlich wäre das ganz einfach gewesen. Aber Karten für die Stadträder (gibt es in der Tourist Info für 70 NOK + Pfand) gab es keine mehr.

Gleichzeitig versuche ich mich zu akklimatisieren. Ich wurde mehrmals gefragt, ob es in Nordnorwegen nicht kalt ist. Hier ein für allemal die Antwort: Wenn „kalt“ bedeutet, dass man im Sommer in der Sone nicht schwitzt, ohne sich körperlich anzustrengen, dann ja, es ist verdammt kalt da oben. Man muss sich nicht in den Schatten verkriechen, um den Sommer auszuhalten. So kalt ist es da. In Trondheim ist es aber wieder warm: Dort schwitzt man -fast- in der Sonne, egal was man macht. -Fast- wie daheim also. Nicht so schlimm, dass man mittags Siesta halten muss, um nicht verrückt zu werden, aber nahe dran. Wie andere das Klima am Mittelmeer oder in den Tropen aushalten können, ist mir übrigens unbegreiflich. Als Urlaub kann ich sowas ja noch verstehen, aber arbeiten bei „nur“ 30 Grad und aufwärts ist für mich schin immer der Horror gewesen. Vor allem in meinem Beruf. Wer schon mal in einem Raum mit 5 anderen schweißtriefenden Geeks stundenlang verschwitzt vorm PC gesessen hat, bei 5-10 Grad über der Außentemperatur durch Abwärme von 30 PCs und mangels Klimaanlage, der hat sich sicher schon mal gewünscht, stattdessen in irgendeinem Hinterhof Gemüsekisten zu stapeln oder Ziegelsteine herumzukarren. Da hat man wenigstens was von der Sonne.

Am Nachmittag steige ich noch auf die Festung Kristiansten und sehe mir die Stadt von oben an. Es ist fast windstill und unerträglich heiß. Am Horizont türmen sich Gewitterwolken auf, kommen aber nicht.

Zum Abschluss der Feierlichkeiten sammelt sich eine große Menschenmenge auf dem Platz um die Statue, um die Vorstellung zu sehen. Diese und das Feuerwerk sind Eindrucksvoll, aber inhaltlich kann ich wenig damit anfangen. Moderne Kunst will nicht verstanden werden, vor allem nicht von mir. Die Menge zerstreut sich hinterher in alle Himmelsrichtungen. Während die Stadt in den Bars und Nachtklubs weiter feiert, beschließe ich pennen zu gehen. Es hat keinen Sinn, noch irgendwo zu versumpfen und über Kunstrasen zu diskutieren (ich habe keine Meinung dazu). Das führt erfahrungagemäß dazu, das man sich am nächsten Tag wie Kunstrasen fühlt und sonst nichts gewonnen hat. Alkohol isoliert, auch in Gesellschaft, weil man aneinander vorbeiredet ohne es zu merken.

Im Hostel wecke ich als erstes meine 3 Mitbewohner und bereue es, nicht doch noch einen gesoffen zu haben, um vor den ganzen Schnarchern einschlafen zu können.

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Oben: Nidarosdom (Seiteneingang – Ja, wirklich, das ist nur die Seite der Kathedrale. Hat mich auch erst ueberrascht)

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Oben: Nidarosdom in der Abendsonne. Das hier ist die Vorderfront, die recht spæt erbaut wurde. Die urspruengliche Kirche lag im hinteren Teil des heutigen Gebæudes.

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Oben: Das hier ist ein Lift fuer Fahrræder. Ich habe ihn leider nicht in Aktion gesehen oder selbst ausprobiert.

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Oben: Aussicht von der alten Stadtbruecke. Links und rechts hoelzerne Pfalbauten. Dazwischen der Fluss Nid.

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Oben: Typische Gasse und Holzhæuser in Trondheim.

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Oben: Skansen. Blick von der alten Stadtmauer auf den Yachthafen.



This Morning we have Breakfast in Hell

3 08 2011

(03.08.2011, Im Zug irgendwo in Nord-Trøndelag)

Es sieht so aus, als wäre ich wieder im Saarland oder irgendwo im Hunsrück unterwegs: Keine Berge, dafür runde Hügel, viel Wald, Felder und Bauernhöfe. Nur die roten und weißen Holzhäuser erinnern an Norwegen. Dann taucht plötzlich auf der rechten Seite wieder das Meer auf.

Den Bahnhof von Hell habe ich leider verpasst. Der Zug ist durchgefahren, während ich mit meinem Blueberrymuffin beschäftigt war. Aber so passt wenigstens der Titel. Von einem Fotostop in Hell war ja keine Rede.

In Trondheim sichere ich mir als erstes ein Bett für zwei Nächte im Hostel. 245 NOK pro Nacht, mit Frühstück, plus einmal 65 NOK für Bettzeug. Schlafsaal mit 4 Betten

Zwei Deutsche checken gerade aus, jeder mit einem Rucksack so schwer wie meiner. Im Gepäck normales Küchengeschirr (schwer!). Angeblich hatten sie im Süden (Bergen, Finse, usw.) fast nur gutes Wetter. Wir tauschen kurz einige Erfahrungen aus, über Isomatten, Kocher, Lagerfeuer, Wetter, Hostels und Kreditkarten.

Internet ist hier auch wieder vorhanden.

Es hat 24 Grad, und die Sonne scheint. An solche Temperaturen muss ich mich erstmal wieder gewöhnen.

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Oben: Erste Eindrücke von Trondhein um 7 Uhr morgens. Man beachte die alten Fabrikgebäude, die zu Restaurants und Bars umfunktioniert wurden.