Utøya: Mindestens 80 Tote

23 07 2011

Hier kommt nichts anderes mehr in der Glotze, und einige sitzen wie gebannt davor. Stoltenberg sah gestern im Interview mit NRK richtig fertig aus.

Der Täter war ein rechtsradikaler, islamfeindlicher „Nationalist“, der sich selbst als „konservativer Christ“ bezeichnet und einen Bauernhof in Hedmark besitzt. Dadurch ist er vermutlich an ausreichend Düngemittel für den Bau einer Bombe gekommen. Bewiesen ist bisher allerdings noch nichts, außer, dass er für das Massaker im sozialdemokratischen Jugendlager auf Utøya verantwortlich ist.

http://mobil.aftenposten.no/a.mob?i=4181073&p=aftenposten

Der Feind (also Springers „Welt“) bezeichnet ihn als „Einzeltäter“, ein schönes deutsches Neusprechwort, das mir zuletzt in einer Doku über (unter anderem) das Oktoberfest-Bombenattentat sehr oft begegnet ist (Die Doku hieß glaube ich „Gladio“, falls es jemand interessiert, und lief irgendwann mal auf Arte). Auch damals soll es ein (rechtsradiksler) Einzeltäter gewesen sein.

Was ist ein „Einzeltäter“? Auf jeden Fall niemand, der einem „linksterroristischen“ oder „islamistischen“ Netzwerk angehört, und schon gar nicht einer rechtsradikalen Organisation. Also eine gute Nachricht für alle, die kein großes Interesse daran haben, die Sache weiter zu untersuchen… Wer weiß, was dabei rauskommen könnte.

Übrigens ist das für einige Käseblätter (nein nicht Springer, diesmal ist es der Spiegel) kein Grund, nicht trotzdem Al Qaida herbeizufantasieren. Mehr dazu bei Fefe:

http://blog.fefe.de/?ts=b0d4ccff

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Venezia

23 07 2011

Gestern war ich in Henningsvær, dem „Venedig des Nordens“. Das Dorf liegt auf zwei langgezogenen Schären, die durch einen Damm verbunden und über zwei Brücken vom Festland aus zu erreichen sind. Ausserdem liegt Henningsvær direkt unter dem Vågakallen und ist somit auch eine beliebte Basis für Kletterer.

Am Festlandufer rund um den Vågakallen wimmelt es von Zelten, die auf Felsterrassen stehen. Einen Campingplatz gibt es hier glaube ich nicht. Dahinter erheben sich steile, glatte Felswände.

In Henningsvær versuche ich erst, bis zum äußersten Punkt der Insel zu laufen. Dort steht ein Leuchtturm. Leider ist dieser bewohnt, und auf einem Schild steht „Privat“ und etwas von „videoovervåkning“ – für einen deutschen ein unüberwindliches Hindernis, wie schon Lenin festgestellt hat.

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Ein wesentlicher Unterschied zu Venedig: Hier stinkt es nicht. Nicht mal nach Fisch. Die Trockengestelle sind leer.

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Was mir sonst noch auffält: Alte Bunkeranlagen und Geschützstellungen:

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Jede Menge norwegische Waldkatzen, die meisten aber kamerascheu:

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Und viele Touristen.

In einem Laden treffe ich E…, die dort als Verkäuferin arbeitet. Nach etwas gebrochenem Smalltalk frage ich, wo man in der Stadt etwas zu essen bekommt, ohne ein Vermögen zu bezahlen. Sie empfiehlt mir das „Klatrekaffeen“, der lokale Treffpunkt für Kletterer. Ich finde das Klatrekaffeen in einer Seitengasse. Dort bestelle ich mir eine Fischsuppe und einen Kaffee.
(„und vielleicht trifft man sich ja nochmal in Kabelvåg“… Gott würfelt nicht, ich schon, wie mir scheint)

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Oben: „Erst wenn das letzte Auto verschrottet, die letzte Raffinerie stillgelegt und die letzte Tankstelle geschlossen ist, erst dann werdet ihr merken, dass Fahrrad- und Outdoorläden nachts kein Bier verkaufen.“

(Funktioniert in Norwegen nicht, da Tankstellen nachts auch kein Bier verkaufen)

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Oben: Beatles kommen hier nicht rein. Oder so.

Auch die Galleri Lofoten habe ich besucht.

Eintritt teuer, fotografieren verboten. Alle 15 Minuten startet eine Multimedia-Show mit Fotos von den Inseln in allen Jahreszeiten. Ich denke schon, ich wäre allein im Vorführraum, als sich plötzlich ein Bus mit deutschen Touristen durch eine Seitentür entleert, alle mit Etiketten durchnummeriert wie Schafe. Der Reiseleiter verweist seine Herde auf freie Sitzplätze. Nach der Vorstellung strömen die Massen hinaus in die Ausstellungsräume und verteilen sich sofort wie ein Gas gleichmäßig auf alle drei Etagen. Mir fällt es auf einmal schwer, Kunst zu geniesen, und ich sehe mir die zweite Etage (Karl Erik Haar) und die dritte Etage (alte Fotos im Grossformat) im Schnelldurchlauf an.

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Und noch ein Foto aus Kabelvåg:

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Rund um den Storkongsvatnet

21 07 2011

Eigentlich hat mir der „Nebelspaziergang“ auf zur Teufelspforte schon genug zugesetzt. Aber heute war den ganzen Tag Sonnenschein. Das musste ich ausnutzen.

Ich bin fast das gesamte Bergmassiv hinter Kabelvåg abgelaufen. Leider musste ich viele Gipfel weglassen, weil zu gefährlich. An den küstennahen Gipfeln wie Ørntind und Ørntindaksla bin ich vorbeigelaufen, was schade ist, denn es wären keine großen Umwege gewesen.

Zu den Wegen: Eine gestrichelte rote Linie auf der Karte ist hier bestenfalls eine Gehempfehlung. Man sollte weder mit Markierungen, noch mit einem Weg rechnen (und ich bin einiges gewöhnt). Entweder das, oder ich habe den Weg immer wieder verloren.

Ich war von 10:30 bis 20:00 unterwegs. Der höchste Punkt war knapp unter 700 m. Ausgangspunkt war natürlich Kabelvåg, also Meereshöhe. Das Terrain war alles von Sumpf über Birken-Urwälder, Felskaare mit Schneefeldern bis zu felsigen und grasbewachsenen Graten.

Mehr wenn das WLAN hier wieder anständig funktioniert.

UPDATE: Bildbeschreibungen folgen noch.

UPDATE: Bitte sehr.

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Ein kleiner See hinter Kabelvåg. Auf dem Weg hierher habe ich mich mehrmals verlaufen, weil das Gelænde von Skiloipen durchzogen ist. Hinter dem See stehen mehrere Huetten, und Stromleitungen støren die Idylle.

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Oben: Blick vom Felskar unter dem Varden (700 m). Ein Weg wart hier nicht mehr zu erkennen. Von unten sieht das Kar verdammt steil aus, man kommt aber problemlos bis zum Sattel. Dort kann man auf der anderen Seite wieder absteigen (ins ungewisse) oder einen der beiden Gipfel des Varden besteigen. Ich habe mir den namenlosen, kleineren Gipfel ausgesucht, weil weniger ausgesetzt und relativ problemlos. Der Gipfel bestand aus einer ebenen Felsplatte und einer schiefen Felspyramide, wahrscheinlich ueberhængend.

Von links nach rechts: Ørntindaksla, Ørntinden mit Auslæufern, unbenannte Gipfel.

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Blick vom Varden auf den Storkongsvatnet (See). Links: Dronningstinden, rechts: Tjeldbergtind. Dahinter: Svolvær.

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Oben: Der Hauptgipfel des Varden (700 m). War mir zu ausgesetzt. Die Aussicht zur anderen Seite hin wære es aber wert gewesen…

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Oben: Die Fortsetzung des Bergmassivs richtung Westen. Eine Herausforderung fuer einen anderen Tag … oder andere Leute, denn die Berge dort sind kein Spaziergang. Im Hintergrund die Inseln Vestgågøy und Gimsøy.

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Oben: Nochmal der Varden, von seinem „kleinen Bruder“ aus gesehen.

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Oben: Die Wand (ohne Namen?) zwischen Varden und Småtindan, weiter nørdlich auf dem Grad. Ich bin vom Varden ueber das Kar unter dem Sattel wieder abgestiegen und ueber Steinplatten und Schneefelder unter dem Varden vorbeigegangen. Unter dieser Wand musste ich zuletzt vorbei. Ein wenig mulmig war mir schon, weil die vielen Steine ja irgendwann von oben runtergefallen sein muessen, und dem ungleichmæssigen Moosbewuchs nach fallen immer noch neue Steine.

Ich vermute, dass man die Wand leicht auf der anderen Seite umgehen und von dort aus vielleicht sogar einfach besteigen kann. Die meisten Lofotenberge haben eine „sanfte“ Seite…

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Oben: Rueckblick zum Varden und ueber meine Route ueber Schnee und Fels.

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Oben: Die Aussicht ueber Storkongsvatnet und Kabelvåg.

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Oben: Tauender See auf dem Sattel zwischen „der“ Wand und Småtindan. Der „Weg“ (nicht zu erkennen) geht laut Karte rechts unter dem Småtindan vorbei. Die Stelle ist auf der Karte als gefæhrlich markiert. Man quert dort eine steile Kante des Berges, und es besteht wahrscheinlich Abrutsch- und Steinschlaggefahr.

Zum Glueck sahen die Høhenlinien auf beiden Seiten des Småtindan freundlich aus. Ich ueberquerte also den Grat an diesem Sattel (siehe Bild oben) und konnt den Småtindan von der anderen Seite problem- imd gefahrlos ueber einen Grashang besteigen. Mein Plan war, auf der anderen Seite wieder auf den Weg abzusteigen, aber ein Blick vom Gipfel auf den Osthang zeigte mir: Høhenlinien sind NIE freundlich.

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Oben: Aussicht vom Småtindan. Von vorne nach Hinten: „Die Wand“ (unbenannt?), Varden (links) und Stortindan (rechts). Ganz im Hintergrund der Vågakallen.

Der Stortinden ist der høchste Berg des Massivs. Dort wollte ich eigentlich rauf, aber ein Blick auf den Gipfelgrat vom Varden aus ænderte meinen Beschluss ;). Technisch sollte der Berg kein Problem sein, aber Seilsicherung wære empfehlenswert.

Der Vågakallen ist der høchste Berg der Insel und ein Magnet fuer Kletterer.

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Oben: Aussicht vom Småtindan auf die andere Seite (und meine Aufstiegsroute, von links im Bild). Rechts sieht man die Bruecker der E10 nach Gimsøy (die „Golfplatz-Insel“).

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Oben: Blick vom Småtindan nach Kabelvåg, dem Ausgangspunkt der Tour. Im Vordergrund der kleinere Gipfel des Småtindan, links Ørntindaksla, rechts Ørntind und Auslæufer. Der „Weg“ fuehrt unter dem Felskar im Vordergrund vorbei. Ich wollte ueber dieses Kar absteigen, entschied mich dann aber, auf dem Grat zu bleiben.

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Oben: Blick vom Småtindan ins Innere der Insel. Nicht im Bild: Nach rechts zweigt der Grad in Richtung Wasserkraftwerk und Dronningstinden ab. Dorthin gings fuer mich weiter.

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Oben: Links vorne: Der Gipfel des Småtindan, den ich links umrundet habe. Rechts davon der Grat in Richtung Wasserkraftwerk. Der Grat geht nach einem Sattel in einen weiteren kleinen Berg ueber, den ich rechts umgangen habe. Dahinter der See, der sowohl als Wassermagazin fuer das Kraftwerk als auch als Trinkwasserreservoir dient. Im Hintergrund sieht man die hohen und vergletscherten Berge m den Trollfjord, und vielleicht Hinnøya.

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Oben: Aussicht nach Norden vom Småtindan

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Oben: Småtindan, Grat und „Gletscher“. Man sieht einen Wasserfall von einem oberen See in einen mittleren See. Dort verlaufen auch die Røhren des Wasserkraftwerks, das wohl gerade nicht in (vollem) Betrieb ist, denn sonst wære da kein Wasserfall, denke ich. Der mittlere See liegt immer noch ein gutes Stueck ueber dem Storkongsvatnet und ist aufgestaut. Ueber dem Wasserfall: Dronningstinden. Im Hintergrund Svolvær.

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Oben: Der Grat war kein groesseres Problem, aber stellenweise etwas schwierig zu laufen.

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Oben: Wasserfall und die unteren beiden Seen.

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Oben: Dronningstinden und links das Wassermagazin. Der Dronningstind sieht aus wie ein harmloser Huegel. Trotzdem steht mir noch ein steiler und langer Aufstieg bevor.

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Oben: Rueckblick. Von rechts nach links: Småtindan (zwei Gipfel), Wand ohne Namen, Varden, Stortinden.

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Oben: Der Dronningstind ist ein schmaler, mit Gras und kleinen Bueschen bewachsener Grat mit mehreren Gipfeln, von denen der letzte steil auf eine Halbinsel am Storkongsvatnet abfællt. Auf dem Foto sieht man einen Teil des diesseitigen Ufers.

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Oben: Aussicht vom Dronningstinden nach Kabelvåg.

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Oben: Aussicht vom Dronningstind nach Svolvær. Tjeldbergtind rechts.

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Oben: Aussicht vom Dronningstind zum Varden und Stortinden. Links in Wolken der Gipfel des Vågakallen.

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Oben: Laut Karte fuehrt vom Dronningstind ein Weg durch das Bogdalen runter zum Storkongsvatnet. Es gibt auch einen Weg am Wasserfall entlang, aber der ist als gerade Linie eingzeichnet. Meine Knie haben ein Veto eingelegt. Aber der „Weg“ ins Bogdalen beginnt leider etwas weiter hinten auf dem Grat als ich abgestiegen bin. Hier musste ich mich mit schrægen Felsplatten und farnbewachsenen schiefen Felsbalkonen herumærgern. Stellenweise war das Moos feucht. Einmal musste ich von einer Plattform zur næchsten springen. Merken fuer næchstes mal: Bevor man in ein steiles Tal absteigt, Karte GENAU studieren.

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Oben: Felsbadewanne im Bogdalen

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Oben: Nein, ich habe mich nicht wieder verlaufen. Das ist der markierte, offizielle Weg durch das Bogdalen (Wer sieht die rote Markierung?) durch Farn- und Birkenurwald. Muecken lieben solche Vegetation, besonders abends, wenn die Sonne weg ist, also musste ich mich beeilen.

(Kein Bild): Unten angekommen folge ich dem Wegweiser nach Svolvær, nicht nach Kabelvåg, in der Hoffnung so schneller auf eine Strasse zu kommen. Geht man tatsæchlich nach Svolvær, wird diese Hoffnung auch schnell erfuellt. Will man aber nach Kabelvåg, muss man nach einem kurzen Stueck Kiesstrasse (Zufahrt zu einem weiteren Wasserkraftwerk) wieder auf schmalen Wald-, Berg- und Sumpfpfaden weiter. So wurden kurz vor dem Ziel meine von Farnkraut gebuersteten Schuhe noch mal so richtig schlammig.

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Oben: Tjeldbergtind und Storkongsvatnet.

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Oben: Storkongsvatnet und ein gemuetlicher Rastplatz, gespendet von der lokalen Stromgesellschaft.

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Oben: Storkongsvatnet mit Varden und Dronningstinden.

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Oben: Das gesamte Bergmassiv von Kabelvåg aus gesehen. Von links nach rechts: Varden (kleine* und grosser Gipfel), namenlose Wand, Småtindan*, unbenannter Gipfel, Dronningstind*. Ich war auf allen Gipfeln, die mit * markiert sind.

Ich empfehle allen, die diese Tour selbst machen wollen, auch den Ørntind mitzunehmen, wegen der Aussicht ueber Kabelvåg aus næchster Næhe. Ausserdem wuensche ich denjenigen mehr Glueck beim Wegfinden, denn ich konnte von der gestrichelten roten Linie auf der Karte nur einzelne kurze Passagen finden. Nur das Stueck durch das untere Bogdalen war markiert und beschildert.

Takk for turen!