Trollheimen

9 08 2011

UPDATE: Dieser Artikel war kurz weg, weil in Arbeit (ich musste ihn mehrmals als Entwurf zwischenspeichern). Ich habe jetzt Bildbeschreibungen und einen teilweisen ausfuehrlichen Bericht hinzugefuegt. Der ist aber noch lange nicht fertig, und ich werde wohl auch keine Zeit haben, ihn zu Ende zu schreiben.

Von Trondheim habe ich den Zug nach Oppdal genommen. Nach einer Stunde Fahrt stand ich in einem hölzernen Bahnhofsgebäude, das am Anfang des vorigen Jahrhunderts errichtet wurde. Im Bahnhof gab es zum Glück eine Tourist Info. Es gab zwei Möglichkeiten, zur Gjevilvasshytta (der Hütte am „Teufelssee“) zu kommen: Mit dem Taxi oder mit dem Bus und danach 2 Stunden zufuß.

Zum Glück war ich nicht der einzige, der an diesem Tag nach Trollheimen fahren wollte. An der Tourist Info traf ich als erstes auf eine Studentin aus Trondheim (Tanja), die ich vorher schon im Zugbistro gesehen hatte, wo sie sich einen Kaffee und ein Bier genehmigte. Wir überlegten kurz, ob wir ein Taxi nehmen sollten, entschieden uns aber für den Bus. Danach verschwand sie im Dorf, um etwas einzukaufen, während ich im Buswartehäuschen meinen Rucksack umpackte (Verwandlung vom Backpacker zum Trekker, Spiritus in kleinere Flasche umfüllen, etc.)

Dort begegnete mir ein Pulk Holl… Niederländer („I’m very sensitive!“), alte Trollheimen-Fans, die zusammen einen Taxibus bestellten. Für mich war noch ein Platz frei, gratis. Da konnte ich nicht nein sagen. Nach einer kurzen Fahrt durch Dörfer, an Almhütten vorbei und Slalom zwischen Schafen erreichten wir die Hütte. Dort genehmigte ich mir Vollpension. Die DNT-Mitgliedschaft muss sich schließlich lohnen.

Mein Ziel: Innerdalen, das „norwegische Matterhorn“ (nur anschauen, nicht raufklettern) und die Trollpforte (raufklettern und anschauen). Daraus wurde nichts, denn das Wetter war weder zum Zelten noch für waghalsige Klettereien geeignet. Diese Tatsache konnte ich aber noch einen Tag lang verdrängen, denn die erste Tagesetappe stand fest: Zur Trollheimshytta…

Am Ende wurde daraus eine Hüttentour mit 3 Tagesetappen, das so genannte „Dreieck“:

1. Gjevilvasshytta – Trollheimshytta
2. Trollheimshytta – Jøldalshytta (über Geithøtta)
3. Jøldalshytta – Gjevilvasshytta

1. Tag: Anreise

Das Abendessen auf der Gjevilvashytta war etwas enttäuschend. Ein eintopfartiges Hauptgericht und Nachtisch. Dazu als Appetitanreger ein Saxophonsolo, das wohl eher für Violine gedacht war. Ich unterhalte mich mit den Holländern über alles mögliche. Ein lustiger Verein. Leider in der anderen Richtung unterwegs, zur Jøldalshytta.

Nach dem Essen treffe ich noch ein älteres norwegisches Paar und unterhalte mich mit denen auf norwegisch. Irgendwann sitzt auch Tanja mit am Tisch mit einem Bier. Abendessen hat sie nicht mehr bekommen. Ich habe ein bißchen ein schlechtes Gewissen, aber wahrscheinlich zu Unrecht. Schließlich haben wir uns auf Busfahren und Laufen geeinigt. Ich habe ständig Probleme, ihren Trønderdialekt zu verstehen, und sie spricht irgendwann nur noch Englisch mit mir. Ich gewöhne mir auch an, Englisch mit ihr zu reden, und Norwegisch, wenn andere Norweger anwesend sind. Irgendwie komisch, aber plötzlich auf Norwegisch zu wechseln käme mir noch komischer vor.

Ich spreche die beiden anderen auf die Trollpforte an. Diese Felsformation scheint nicht sehr bekannt zu sein. Auf dem Skarfjell waren sie auch noch nie. Ich møchte so viele Leute wie møglich dazu befragen, denn die Auskunft, die ich auf fjellforum.net erhalten habe, war etwas unbefriedigend. Ob man ohne Kletterausruestung zur Trollpforte kommt? Ja (eine Wegbeschreibung habe ich auch bekommen, die sich mit anderen Quellen deckt). Aber dann der Hinweis: „bruk hjelm!“ … Wenn man einen Helm haben sollte, dann ist die Tour wohl nicht ganz ungefæhrlich…

2. Tag: Gjevilvasshytta – Trollheimshytta

Tanja und ich sind scheinbar die einzigen, die zur Trollheimshytta wollen – eine ziemlich lange Tagestour – also ziehen wir zusammen los.

Das erste Stück ist gemütlich, eine Kiesstraße und später ein breiter, gut ausgetretener Pfad durch lichten Birkenwald und Blaubeersträucher. Nicht zu vergleichen mit den sumpfigen, steinigen, miz wurzelnen überzogenen und mückenverseuchten Birkenurwäldern in Nordnorwegen. Warm ist es auch. Richtig angenehm zum Wandern. Und viel weniger Steigung.

Ich dachte zuerst: Die ist hier aufgewachsen und nur für eine Hüttentour ausgerüstet. Ich trage 20 kg mit mir herum und bin von den vielen früheren Touren bereits angeschlagen (Horst Schlämmer hätte gesagt: „Ich hab Knöchel“ – Den Knöchel habe ich mir beim Abstieg nach Kjerkfjorden geholt. Mit dem Fuß umzuknicken kann bei so viel Gepäck sehr unangenehm werden…). Kurz: Da kann ich nicht mithalten. Nach einer Stunde aber braucht Tanja eine Pause. Ich bim froh darüber, denn ich brauche auch eine. Außerdem ist das ein gutes Zeichen dafür, dass ich diesen Tag doch noch überleben werde. Sie hat 20 kg Gepäck dabei. Das habe ich nicht einmal bei meiner ersten Jotunheimen-Tour geschafft, als ich noch Jeans, ein handelsübliches Handtuch, Rasierschaum und Haargel dabei hatte. Jedenfalls hatten wir so fast das gleiche Tempo, und ich kam nicht in Versuchung zu schnell zu rennen.

Im Vergleich zu Jotunheimen, Lofoten oder den Alpen wirkt Trollheimen flach, fast wie eine Hochebene, aber mit vereinzelten schroffen, felsigen und vergletscherten Bergen wie Snota, Geithetta, Neadalssnota und die Berge rund um Innerdalen. Wesentlich größer sind die Entfernungen, die man hier zurücklegt. Das Gelände ist entweder flach und sumpfig oder felsig, wobei letzteres bedeutet, dass der Untergrund aus dünnen, schrägen Felsplatten besteht, die wie Messer aus dem Boden ragen. Stellenweise ist der Fels von großen Quarzadern durchzogen. In den tieferen Tälern wachsen Birken- und Kiefernwälder. Im Norden liegen große Seen und Moorgebiete. Ein Großteil des Gebiets dient als Weide für Schafe (ich hasse die Viecher!) und Rentiere. Die Rentierzucht in Trollheimen war bis zu einem Gerichtsurteil vor wenigen Jahrzehnten illegal und führte zu Streitigkeiten zwischen den Grundbesitzern und den Sami, die hier erst seit wenigen hundert Jahren mit ihren Rentierherden ansässig sind. Immrhin: Rentiere und Schafe leben friedlich miteinander, wie wir selbst beobachten konnten.

Irgendwann fängt es dann wie angekündigt an zu regnen. Ein kurzer, leichter Schauer. Ich mache noch Sprüche, dass der Regen immer dann wieder aufhørt, wenn man seine Regenmontur fertig angezogen hat, als uns ein richtiger Platzregen überrascht. Auch nur kurz, aber stark genug, so dass wir nach wenigen Minuten völlig durchnässt sind.

Der Weg führt schließlich in ein Tal, und das Gelände wird schwieriger. Ein Norweger kommt uns entgegen und erzählt Schauergeschichten von einem sehr steilen Stück, das noch vor uns liegt und von steilen Schneefeldern. Tanja erzählt irgendwas von einer ungeöffneten Flasche Akevitt…

Tatsächlich müssen wir einen hohen und steilen Pass (Riaskaret) überqueren. Gleichzeitig fängt es noch mal richtig an zu regnen, und wir geraten in dichten Nebel, der uns den Rest des Weges bis zur Hütte begleiten wird. Auf dem Pass wird zur Feier der überstandenen Strapazen erst mal die Flasche Schnaps geöffnet.

Nach dem Abstieg führt uns der Weg an einem See entlang und durch eine steinige und sumpfige Ebene, die kein Ende zu nehmen scheint. Im Nebel können wir gerade die nächsten Markierungen sehen. Hellgrünes Moos leuchtet im monotonen Grau so hell, dass man meinen könnte, die Sonne scheint durch die Wolken. Den Effekt kenne ich schon von meiner Tour letztes Jahr in Jotunheimen.

Irgendwann hören wir Stimmen im Nebel, können aber lange Zeit nicht ausmachen, woher sie kommen, bis wir unter einem Felsen an einer Weggabelung zwei aufgeweichte Gestalten in grünen Regenponchos erkennen. Zwei Frauen, die am morgen in Vassendsetra, einer kleinen Hütte am Ende des Gjevilvatnet losgegangen sind und auh zur Trollheimshytta wollen. Die ältere ist ständig am Reden, daher haben wir sie schon von weitem gehört. Wir werden die beiden auf jeder Hütte wieder treffen, denn sie gehen fast die selbe Strecke.

Nach der Ebene führt der Weg weiter steil bergauf und schließlich wieder bergab bis zur Hütte, ein Abschnitt, der sich endlos hinzieht. Es hört nicht mehr auf zu Regnen, und auch der Nebel verzieht sich nicht. Unsere Rucksäcke werden gefühlt immer schwerer, und unsere Füße, Knie, Knöchel und Rücken protestieren. Die Flasche Akevitt dagegen wird bei jeder kurzen Rast etwas leichter.

Dann endlich tauchen die ersten Birken auf. Der Nebel lichtet sich, und vor uns liegt ein weites Tal mit Nadelwald, Mooren und einem großem See. Es wird zunehmend sumpfiger und das Rauschen von Wasser wird immer lauter. Irgendwann wird der Weg eben, und wir kommen an eine Brücke mit einem Schild: Trollheimshytta 200 m. In der Luft liegt rauch. Wir haben es geschafft! Mit letzter Kraft schleppen wir uns zur Hütte, wo ein Trockenraum, eine Dusche und eine warme Mahlzeit auf uns warten.

Die Trollheimshytta liegt mitten im Wald und im Sumpf zwischen zwei Fluessen. Nach gut 8 Stunden durch Nebel und Regen wirkt sie wie der gemuetlichste Ort auf der Welt. Tatsæchlich ist es die bisher beste DNT-Huette, auf der ich uebernachtet habe. Es gibt ein ordentliches 3-Gænge-Menue zum Abendessen (Spargelsuppe, Wildbret mit Kartoffeln und Preiselbeeren, Nachtisch), Schlafsæle und alle Einrichtungen sind im Hauptgebæude (mit Ausnahme der Schlafsæle fuer Hundebesitzer und dem zuenftigen Aussenklo). Der Trockenraum ist hoffnungslos ueberfuellt. Die Betten in den Schlafræumen sind in 3 Stockwerken gestapelt. „Hier schlæft man wie in der Kaserne“ beschwert sich einer meiner Zimmerkollegen. Die Dame an der Rezeption spricht einen Dialekt, den ich nicht verstehe. Ich frage Tanja, was fuer ein Dialekt das war. Es war Schwedisch. Ich bin beruhigt.

3. Tag: Trollheimshytta – Gjevilvasshytta

Eigentlich hatte ich ja vor, an diesem Tag in richtung Kårvatn zu wandern, oder vielleicht auch in Richtung Neådalssnota und dort irgendwo zu campen. Mein Ziel war ja Innerdalen, also der westliche Teil von Trollheimen, wo es höhere und steilere Berge gibt. Allerdings hatte ich mindestens eine Tagestour geplant, für die absolut stabiles Wetter ein Muss gewesen wäre. Und der Wetterbericht für Innerdalen (und den Rest von Trollheimen) sagte: Regen, Regen, Regen. Mindestens eine Woche lang. Für diesen Tag: Tagsüber etwas Regen, abends viel Regen. So kam es, dass ich meine Pläne änderte und mich entschloss, die „Trekanten“-Tour zu machen, also das bereits beschriebene Dreieck. Wenigstens hatte ich dabei Gesellschaft. Tanja war zunächst für die leichteste Route, durch das Tal zwischen den Bergen Trollhetta und Geithetta. Aber nach einem Gespräch mit den beiden Norwegerinnen, die wir am Tag davor im Nebel getroffen hatten, änderte sie ihre Meinung. Im Tal ist es zu sumpfig, und man hat keine Aussicht. Es sollte also über Geithetta gehen. Wieder Bergsteigen also. Ich hatte nichts dagegen.

Eine typische Eigenschaft des norwegischen Wetters ist, dass es sich nicht an die Vorhersage hält. So beginnt also der nächste Tag mit strahlendem Sonnenschein endlich freier Sicht auf die umliegenden Berge. Im Nordwesten ragt eine hoher, vergletscherte Felsspitze auf: Snota (über 1600 m). Ebenso begeistert vom Wetter wie wir sind die Einheimischen dieses sumpfigen Tals: Die Mücken. Ich bin ja jetzt schon einigermaßen herumgekommen in Skandinavien, aber so nervige Viecher wie hier habe ich bisher noch nicht erlebt. Ich greife sofort zur chemischen Keule, diesmal ohne Bedenken. Anti-Mückenmilch mit DEET, stinkt wie WC-Reiniger. Es scheint zu helfen, bilde ich mir ein. Wir packen unsere Rucksäcke und ziehen los.

Wir irren eine Weile durch den Sumpf (der Weg teilt sich mehrmals und führt dann wieder zusammen, nicht alle Wege sind markiert, aber alle scheinen richtig zu sein), bestaunen kurz ein paar Wasserfälle, dann dreht der Weg nach Osten und führt bergauf zur Geithetta. Wir passieren die Baumgrenze. Es wehr ein starker Wind, und dunkle Wolken kommen über die Berge. Wieder einmal kann man das Wetter nicht vorhersehen, weil der Wind aus einer Richtung kommt, in der man nichts sehen kann. Die Sonne wird immer wieder von Wolken verdeckt und kommt dann wieder zum Vorschein. Das letzte Stück wird steil und felsig, ist aber kein Problem.

Die Geithetta ist ein eigenartiger Berg. Er scheint komplett aus schrägen, fast senkrechten Gesteinsschichten zu bestehen. An seiner Flanke treten diese als felsige Grate hervor, und das Gipfelplateau, wenn man sowas als Plateau bezeichnen kann, sieht aus wie ein Acker mit Furchen aus Fels. Auf der Nordseite ist ein tiefer Abgrund, und dahinter ein wesentlich höherer Berg: Trollhetta. Ein langweiliger Geröllhaufen. Wir haben eindeutig die interessanteste Route gewählt. Von der Geithetta hat man eine Aussicht über weite Teile Trollheimens.

Irgendwo in dieser bizarren Felslandschaft kommt uns eine große Gruppe bekannter Gesichter entgegen: Die Holländer, mit denen ich im Taxi gefahren bin („We meet in the strangest places“). Sie sind am morgen an der Jøldalshytta aufgebrochen. Vor 5 Stunden. Ich versuche das auf unsere Geschwindigkeit umzurechnen. 6 Stunden, 7 Stunden … Weit weg in einem Tal sehe ich einen großen See. Ich werfe einen Blick auf die Karte. Dort ist die Hütte, zu der wir heute noch wollen. Es sieht so verdammt weit aus, dass ich mir wünsche, wir hätten wieder dichten Nebel wie am Tag davor.

Aber das ist uns nicht vergönnt. Zwar verschwindet die Sonne endgültig hinter den Wolken, die immer dunkler werden, und über dem See vor uns brauen sich hohe Wolkentürme zusammen, aber die nächsten Stunden haben wir ständig freie Sicht auf unser Ziel, das kein bißchen näher zu kommen scheint. Der Abstieg ins Tal zieht sich hin. Irgendwann weichen die Felsen Gras und Sumpf. Ich gehe weit voraus, wie am Tag davor, weil ich mich nicht bremsen kann, mache immer wieder Pausen und lasse Tanja aufholen. Auf dem Weg finden wir Blaubeeren und ein paar unreife Moltebeeren. Ein Rentiergeweih, das jemand auf einem Felsen abgelegt hat. Zwei tote Lemminge. Und der Hammer: Reifenspuren, wahrscheinlich von Mountain Bikes. Ich kann mir nicht vorstellen, auf diesem Weg zu fahren, aber anscheinend geht es.

Kurz vor der Talsohle auf einer letzten Anhöhe kommen wir an Gruben vorbei. Jede etwa einen Meter tief und mit ebensogroßem Durchmesser. Ich hatte in einem DNT-Jahrbuch über Trollheimen gelesen, dass es hier alte Fallgruben gibt, in denen man Rentierknochen gefunden hat. Diese Gruben sollen sehr alt sein. Schon in der Steinzeit hat man hier wilde Rentiere gejagt. Heute gibt es auch in Trollheimen nur noch zahme Rentiere.

Im Tal treffen wir auf eine Fahrstraße. Eine Wohltat für die Füße. Zum Ausgleich fängt es an zu regnen. Diesmal sind wir schlauer und behalten die Regenklamotten an.

Nach einem weiteren langen Marsch auf der Straße über Almwiesen und an Schafherden vorbei kommt endlich die Hütte in Sicht. Daneben eine große Alm, Jelsetra. Auf einer Weide neben dem Bauernhof steht die größte Kuh, die ich jemals gesehen habe. Ein regelrechtes Monster und mindestens einen Kopf größer als die anderen Kühe dort. Auf der Jøldalshytta gibt es frische Milch und Joghurt, sowie andere Produkte von dieser Alm. Trotz der späten Ankunft bekommen wir noch eine warme Mahlzeit. Es gibt Rømmegrøt, Kartoffeln, Wurst und Schinken. Kein üppiges 3-Gänge-Menü diesmal, aber man wird davon satt. Wir treffen beim Essen eine Gruppe Deutsche. Darunter ein Auswanderer, der fließend, wenn auch mit leichtem Akzent, norwegisch spricht. Ich spreche ihn dreimal auf Deutsch an und bekomme Antworten auf Norwegisch. Auch die zwei Frauen, die seit kurz vor der Trollheimshytta die selbe Strecke gehen wie wir, treffen wir wieder. Beide kommen aus der Umgebung von Oslo. Die ältere spricht fast Bokmål, wie eine Nachrichtensprecherin. Ich verstehe sie daher sehr gut, und sie ist ständig am Reden und hat zu allem einen Kommentar wie z.B. „Wenn wir in der EU wären, dann gäbe es hier Frühstückseier“. Die jüngere ist Norwegisch-Lehrerin und spricht so ähnlich wie die zweite Sprecherin in „Norwegisch Aktiv“, also auch ein Dialekt, den ich gelernt habe. Sie will von mir 10 Gründe hören, warum ich auswandern will (typisch Lehrerin eben). Ich nehme mir das als Hausaufgabe vor. Abgabetermin ist mein erstes Vorstellungsgespräch…

Die Tour am nächsten Tag führt zurück zur Gjevilvasshytta. Angeblich eine leichte Tour. Wenig Steigung. Aber auch sehr lang. Und das wird auch die Tour, auf der ich feststelle, dass es keine leichten Wege durch das Gebirge gibt. Denn alle leichten Wege erobert das Wasser. Und davon gibt es nach den Regenfällen der letzten Tage eine ganze Menge…

Fortsetzung folgt, wenn ich mal wieder Zeit habe…

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Oben: (1. Tag) Gjevilvasshytta. Diese Huette ist noch mit Auto oder Fahrrad von Oppdal aus erreichbar.

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Oben: (3. Tag) Blick auf Snota (16?? m). Im Tal vor dem Berg liegt irgendwo die Trollheimshytta.

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Oben: (3. Tag) „Und Er wuerfelt doch“. Wuerfelførmiger Felsen auf der Geithetta.

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Oben: (3. Tag) Auf der Geithetta. Im Hintergrund rechts: Snota.

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Oben: (3. Tag) Das Tal zwischen Trollhetta und Geithetta. In der Ferne sieht man einen See. Dort liegt die Jøldalshytta, das Ziel fuer diesen Tag.

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Oben: Almhuetten im Tal irgendwo vor der Jøldalshytta. Der Berg in der Mitte ist Geithetta. Diesen haben wir an diesem Tag bereits komplett ueberquert, und es ist immer noch weit bis zur Huette. Auf dem gruenen Huegel davor haben wir tiefe Løcher im Boden gesehen, jedes etwa einen Meter tief. Laut einem Artikel in einem DNT-Jahrbuch ueber Trondheim handelt es sich um steinzeitliche Fallgruben fuer Wildrentiere.

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Oben: (4. Tag) Jøldalshytta

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Oben: (4. Tag) Rentierpferch auf der Hochebene zwischen Jøldalen und Minilldalen. Zwischen diesen Pfløcken wird eine Art Plane gespannt, um die Herde zusammenzuhalten. Nicht im Bild: Holzgeruest fuer ein Lavvu, ein Tipi-artiges Zelt. Beides ist gerade unbenutzt. Insgesamt haben wir auf dieser Strecke zwei einzelne Rentiere gesehen. Eines davon war mit einer Gruppe Schafe unterwegs, bestehend aus einem Schafbock, einem schwarzen Schaf und weiteren Schafen in verschiedenen Grautønen. Und da soll nochmal einer sagen, Multi-Kulti sei gescheitert…

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Oben: (4. Tag) Fluss im Minilldalen. Dieses Tal ist extrem sumpfig. Ueber den grossen Fluss fuehrt eine Bruecke. Trotzdem muss man mehrere Nebenlaeufe ueberqueren.

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Oben: (4. Tag) Island hat gerade angerufen. Sie wollen ihren Grabenbruch wiederhaben. Auch wenn ich immer noch gerne Island sehen wuerde, nach Thingvellir muss ich jetzt nicht mehr unbedingt. Das Gelænde zu beiden Seiten der Schlucht ist uebrigens kaum felsig. Also ein sanfter Huegel mit einer Felsspalte, durch die Wasser fliesst. Die Schlucht ist mehrere 100 m lang.

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Oben: (4. Tag) Shub Niggurath … Oder nur eine Birke, die zu viele H.P.Lovecraft-Romane gelesen hat?

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Oben: (4. Tag) Endlich taucht der Gjevilvatnet zwischen den Bæumen auf.

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Oben: (4. Tag) Noch einer von Baumbarts Bruedern.

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Oben: (4. Tag) Endloser Birkenwald…



Waldspaziergang

4 08 2011

In Trondheim geht um 22:30 die Sonne unter. Nicht hinter irgendwelchen Bergen oder Klippen, sondern am Horizont, mit roter Farbe undso. Und jetzt wo ich das schreibe, setze ich gleich Batterien auf die Einkaufsliste. Ich habe schon meine Lampe geplündert, um meinen MP3-Player zu betreiben.

Aftenposten verbreitet Schauergeschichten: Der Sommer ist vorbei, Temperaturen sinken um 5 Grad! Das habe ich dieses Jahr schon gehört. Allerdings soll es auch regnen. Auch heute wieder war Trondheim regelrecht von Cumuluswolken belagert, trotzdem hatte es hier Sonnenschein und gefühlte 30 Grad.

Ich besorge mir eine Wanderkarte für Trollheimen und eine Zugfahrkarte nach Oppdal. Irgendwann wird schon wieder die Sonne scheinen. In Trollheimen gibt es bewirtschaftete Hütten. Also alles unproblematisch, so lange es nicht schneit. Vielleicht packe ich sogar für eine Hüttentour und lasse den Zeltkram in einem Schließfach in Oppdal am Bahnhof (wenn es da sowas gibt. Das Bahnhofsgebäude sieht nämlich sehr … rustikal aus)

Die Wanderpause habe ich nicht eingehalten. Ich war auf dem Gråkallen, dem höchsten Punkt im Stadtwald von Trondheim. Das war eine Lauferei… Eigentlich sollte man das mit dem Fahrrad machen. Aber die Steigung ist heftig, und das fängt schon in der Stadt an. Bei der Hitze hätte ich das nicht überlebt.

In der Bymarka gibt es Stauseen, wo man baden oder mit Fiskekort (kann man einfach kaufen) fischen kann. Wildcamper habe ich auch gesehen. Wenn ich das mit dem Saarkohlewald vergleiche … Alle Fischweiher gehören irgendwelchen Vereinen. Angeln für unbefugte verboten. Zelten darf man in Deutschland sowieso nirgends (zumindest ist es in der Praxis so).

Die Aussicht auf dem Gråkallen kann man nur teilweise geniesen, weil auf dem höchsten Punkt irgend eine militärische Einrichtung steht (Radar?). Ansonsten gibt es dort einen Skilift: Gråkallen Skisenter. Wer den Film „Nord“ gesehen hat (gibts auch auf Deutsch, Premiere war 2009 auf dem Berliner Filmfestival), wird vielleicht Jomars Hütte wiedererkennen.

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Oben: Stausee in Trondheim Bymarka. Im Hintergrund sieht man den Gråkallen.

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Oben: Aussicht vom Gråkallen auf Trondheim.

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Oben: Aussicht vom Gråkallen. Die Masten sind Laternenmasten zur Beleuchtung der Skipiste im Winter.

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Oben: Anlage auf dem Gråkallen. Am Anfang der Strasse befindet sich ein Sperrschild mit Ausnahme von militærischen Fahrzeugen. Ich nehme an, dass das hier eine militærische Einrichtung ist. Der høchste Punkt des Berges ist deshalb leider eingezæunt.

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Oben: Aussicht vom Gråkallen auf die Inseln im Fjord von Trondheim (Hitra, etc.)

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Oben: Aussicht vom Gråkallen (Hmm, falsches Foto? Hier sieht man ja gar nichts…)

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Oben: Gråkallen Skisenter. Hier beginnt der Film „Nord“. Im Film brennt die Huette ab, als Jomars Gaskocher umkippt. Danach setzt er sich auf sein Schneemobil und fæhrt mit nur einem Kanister Schnapps als Proviant nach Norden.

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Trondheim feiert

3 08 2011

Trondheim liegt auf einer Halbinsel zwischen dem Fluß Nid und dem Trondheimsfjord, so wie auf dem Festland drumrum. Die Stadt besteht aus bunten Holzhäusern (dicht an dicht) und engen Gassen im alten Stadtkern, aber auch darüber hinaus. Wie Bodø ist sie ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt.

Die Stadt erinnert mich an Saarbrücken, und auch ein wenig an München, und zwar an das Positive in beiden Städten. Wie alle norwegischen Städte außer Oslo (und Bodø, das mir auch beim zweiten mal nicht gefallen hat), hat Trondheim dieses Kleinstatt-Flair, ist aber trotzdem kein Kaff, nicht „direkt unter Paris“ (Michael Mittermayer), sondern eine Stadt mit Bedeutung und Geschichte.

Trondheim ist eine Art zweite Hauptstadt, nicht so wie Stavanger, das durch die Ölindustrie groß geworden ist, sondern schon seit dem frühen Mittelalter. Hier werden die Kronjuwelen der norwegischen Monarchie aufbewahrt, und hier fanden bis 1906 die Krönungszeremonien statt. Trondheim wurde gegründet von Olav Tryggvason, dem ersten christlichen König von Norwegen, und hier wurde Olav Haraldson begraben, der nach seinem Tod in der Schlacht von Stiklestadt heilig gesprochen wurde. Bevor ich jetzt noch etwas durcheinanderbringe mit den vielen Olavs, verweise ich lieber auf Wikipedia.

Stiklestad sorgt zur Zeit für Aufregung. Dort soll ein multireligiöses Kulturzentrum errichtet werden, was an einem für die Christianisierung des Landes historisch so wichtigem Ort natürlich die Fundichristen auf den Plan ruft, die dagegen protestieren. An sich wäre das keine große Sache. Der gleiche Kindergarten wie die leidige Kreuz- und Kopftuchdiskussion an bayerischen Schulen. Comedy à la Don Camillo und Peppone, aber in Farbe und auch ohne Terrence Hill. Wären da nicht die Anschläge von Oslo und Utøya passiert, die nun als Katalysator wirken und den Aktivisten zusätzliche Aufmerksamkeit bescheren. Übrigens: Bald ist Kommunalwahl in Norwegen. Dadurch werden auch die politischen Parteien in die peinliche Debatte hineingezogen. Popcorn bereithalten!

Ich bin keinen Tag zu früh nach Trondheim gefahren. Heute ist der letzte Tag der Olavsfesttage. Im Erzbischofshof hinter der Kathedrale gibt es einen Mittelaltermarkt, es finden Konzerte statt, und kurz vor Mitternacht gibts zum Abschluss ein großes Feuerwerk auf dem Marktplatz (das sich dann als Freiluft-Theatervorstellung der deutschrn Gruppe PAN.OPTIKUM herausstellt, mit Artisten und Pyrotechnik)

Das wusste ich alles nicht, denn ich wollte das gute Wetter ausnutzen und bin sofort in die Stadt aufgebrochen. Dabei bin ich natürlich unweigerlich bei der Nidaros-Kathedrale und im Erzbischofshof gelandet und habe mir alles angesehen.

Auf dem Marktplatz rund um die Statue von Olav Trygvasson laufen die Vorbereitungen für das Feuerwerk. Aber das erste was mir auffält, ist ein Meer von Blumen und Kerzen rund um die Statue. Und es stehen ständig Leute davor und legen mehr dazu. Einige Karten mit Beileidsbekundingen sind in Englisch verfasst und stammen von ausländischen Besuchern. Dazwischen norwegische Flaggen und in der Mitte groß das AUF-Logo.

Im Dom war leider fotografieren Verboten, und ich Idiot habe mich daran gehalten. Das gilt auch für das Museum, die archäologische Ausstellung und die Kronjuwelen.

Daraufhin versuche ich vergeblich, ein Fahrrad zu bekommen. Dafür laufe ich mir in der Stadt die Füße wund. Eigentlich wäre das ganz einfach gewesen. Aber Karten für die Stadträder (gibt es in der Tourist Info für 70 NOK + Pfand) gab es keine mehr.

Gleichzeitig versuche ich mich zu akklimatisieren. Ich wurde mehrmals gefragt, ob es in Nordnorwegen nicht kalt ist. Hier ein für allemal die Antwort: Wenn „kalt“ bedeutet, dass man im Sommer in der Sone nicht schwitzt, ohne sich körperlich anzustrengen, dann ja, es ist verdammt kalt da oben. Man muss sich nicht in den Schatten verkriechen, um den Sommer auszuhalten. So kalt ist es da. In Trondheim ist es aber wieder warm: Dort schwitzt man -fast- in der Sonne, egal was man macht. -Fast- wie daheim also. Nicht so schlimm, dass man mittags Siesta halten muss, um nicht verrückt zu werden, aber nahe dran. Wie andere das Klima am Mittelmeer oder in den Tropen aushalten können, ist mir übrigens unbegreiflich. Als Urlaub kann ich sowas ja noch verstehen, aber arbeiten bei „nur“ 30 Grad und aufwärts ist für mich schin immer der Horror gewesen. Vor allem in meinem Beruf. Wer schon mal in einem Raum mit 5 anderen schweißtriefenden Geeks stundenlang verschwitzt vorm PC gesessen hat, bei 5-10 Grad über der Außentemperatur durch Abwärme von 30 PCs und mangels Klimaanlage, der hat sich sicher schon mal gewünscht, stattdessen in irgendeinem Hinterhof Gemüsekisten zu stapeln oder Ziegelsteine herumzukarren. Da hat man wenigstens was von der Sonne.

Am Nachmittag steige ich noch auf die Festung Kristiansten und sehe mir die Stadt von oben an. Es ist fast windstill und unerträglich heiß. Am Horizont türmen sich Gewitterwolken auf, kommen aber nicht.

Zum Abschluss der Feierlichkeiten sammelt sich eine große Menschenmenge auf dem Platz um die Statue, um die Vorstellung zu sehen. Diese und das Feuerwerk sind Eindrucksvoll, aber inhaltlich kann ich wenig damit anfangen. Moderne Kunst will nicht verstanden werden, vor allem nicht von mir. Die Menge zerstreut sich hinterher in alle Himmelsrichtungen. Während die Stadt in den Bars und Nachtklubs weiter feiert, beschließe ich pennen zu gehen. Es hat keinen Sinn, noch irgendwo zu versumpfen und über Kunstrasen zu diskutieren (ich habe keine Meinung dazu). Das führt erfahrungagemäß dazu, das man sich am nächsten Tag wie Kunstrasen fühlt und sonst nichts gewonnen hat. Alkohol isoliert, auch in Gesellschaft, weil man aneinander vorbeiredet ohne es zu merken.

Im Hostel wecke ich als erstes meine 3 Mitbewohner und bereue es, nicht doch noch einen gesoffen zu haben, um vor den ganzen Schnarchern einschlafen zu können.

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Oben: Nidarosdom (Seiteneingang – Ja, wirklich, das ist nur die Seite der Kathedrale. Hat mich auch erst ueberrascht)

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Oben: Nidarosdom in der Abendsonne. Das hier ist die Vorderfront, die recht spæt erbaut wurde. Die urspruengliche Kirche lag im hinteren Teil des heutigen Gebæudes.

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Oben: Das hier ist ein Lift fuer Fahrræder. Ich habe ihn leider nicht in Aktion gesehen oder selbst ausprobiert.

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Oben: Aussicht von der alten Stadtbruecke. Links und rechts hoelzerne Pfalbauten. Dazwischen der Fluss Nid.

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Oben: Typische Gasse und Holzhæuser in Trondheim.

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Oben: Skansen. Blick von der alten Stadtmauer auf den Yachthafen.